Seit 2001 bietet der renommierte Sprichcode Kulturwettbewerb kreativen Wortkünstlerinnen und
-künstlern sowie Nachwuchsfotografinnen und -fotografen eine Bühne. So auch 2023: Im Juni wurden in Leonding erneut die Gewinnerinnen und Gewinner des Preises für deutschsprachige Literatur und Fotografie gekürt, die ihre Arbeiten zum Thema „random“ eingereicht hatten. Im Beitrag Sprichcode 2023: „Authentizität, die beeindruckt“ haben wir bereits darüber berichtet.
Eine der talentierten Gewinnerinnen in der Alterskategorie der 17-20 Jährigen ist Lara Rachbauer (20) mit ihrem Text „Punkt malen“. Wenn man eine begabte Autorin wie Rachbauer zu Wort kommen lässt, ist der Schreibstil unverkennbar. In ihren eigenen Worten erzählt sie über ihre Motivation, am Sprichcode Wettbewerb teilzunehmen, stellt uns ihr Werk näher vor und spricht über den Stellenwert von Kreativität in ihrem Leben:
Lara Rachbauer darüber, was sie bewegt hat, am Sprichcode Wettbewerb teilzunehmen…
„Bis ich von der bloßen Wahrnehmung des Sprichcode-Wettbewerbs tatsächlich in Erwägung gezogen habe mitteilzunehmen und schlussendlich in Bewegung kam und vor meinem Computer sitzend die kleinen Textfelder mit Worten füllte, um meinen Text einzureichen, ist etwas Zeit vergangen. Bei mir müssen Eindrücke immer sickern; bis ich Entscheidungen getroffen habe, vergehen manchmal Wochen. Erstmals begegneten mir die Plakate in der Kunstuni, wo ich studiere. Zwischen all den anderen bunt-bewegten Plakaten war es ein Glück, dass ich den Sprichcode-Aushang nicht übersah. Aber meistens, wenn ich Zeit habe, stelle ich mich gerne vor dieses chaotische „Black-Board“, um mich über Kulturveranstaltungen, wie Ausstellungseröffnungen, Open-Space-Calls, Symposien, aber auch Konzerte zu informieren. So begegneten das Sprichcode-Plakat und ich uns regelmäßig über Wochen, indem ich daran vorbei ging. Ich ignorierte die Möglichkeit mitzumachen, wie man die Chance auf einen Lottogewinn ausschließt und sich deswegen weigert, eins zu ziehen. Das heißt mein erster Impuls war weder JA noch NEIN, sondern „keine Option“. Erst als der Sprichcode mir bis nach Hause folgte und als kleiner handgroßer Flyer die harmlose Holztischplatte des Küchentischs zum Meer und sich selbst zu einer schwimmenden Insel der neuen Optionen machte, überlegte ich, ob es sich nicht doch löhne die Hand danach auszustrecken, trotz Hai- und Meeresströmungsgefahren, trotz Gefahr des Scheiterns und dem Missmut danach darüber seine Energie „verschwendet“ zu haben. Meine Mama, Joghurt essend am Tisch, baute mir eine erleichternde Brücke zu den, für mich unmöglich zu erreichbar scheinenden Informationen, indem sie dem Flyer seinem Inselcharakter entriss, furchtlos die Gefahr eines Haiangriffs in Kauf nahm und ihn mir entgegenhielt mit den Worten: „Das ist für dich.“ Also müsste ich die Frage kurz beantworten, und dürfte ich das Fragewort „was“ durch ein „wer“ ersetzen, würde ich sagen: „Meine Mama.“
Lara Rachbauer über ihr Werk „Punkt malen“…
„Im Text erarbeite ich einen Vergleich zwischen einem Punkt und meinen Leben. Der Prozess des (Satz)Schreibens und vor allem jener der Punksetzung wird den Fragen und Themen der Lebens- und Selbstentwicklung an die Seite gestellt und als Akt der Freiheit erkannt – als klar wird, dass kein Punkt als eine den Satz zum Ende seines Inhalts und seiner Definition bringende Form erforderlich ist, um zu einer persönlichen Eigen-Definition zu erlangen. Eine Momentaufnahme meines Inneren verläuft sich auf Papier, in diesem Text in einer skurrilen Ambiguität der punktuellen (Form)sprache.
Der Text entstand dieses Jahr im Rahmen eines literarischen Kursus der Uni. Das Thema lautete „Wikipedia-Eintrag über mich“ im autofiktionalen Stil. Ich sah mich zunächst vollkommen meiner Schreiblust beraubt – denn wie trocken und stilistisch langweilig sind denn bitte Wikipediaseiten?! Bis zum Anschlag strukturiert und gegliedert, in einer Sprache, die rein der informativen Weitergabe steifer Zahlenreihen und Fakten dient. „Alles anders machen“ war also mein Ziel für den Text: frei, unregelmäßig, abstrakt und bewusst unvollständig; jeder darf sich etwas dazu denken, an von mir genannten Punkten anknüpfen, sich von ihnen verstanden fühlen oder nicht. Mein Text soll nicht informieren, sondern etwas spürbar machen; ohne Ziel, wahllos entrücken.
Insofern kann ich diesen Text selbst nicht exakt einordnen, ohne vielen Literaturgenres auf die Füße zu treten. Am ehesten aufgehoben fühle ich mich in der Ungebundenheit und Rhythmik der Prosa, der freien Poesie und der Autofiktion.“
Lara Rachbauer über den Stellenwert von Kreativität in ihrem Leben…
„Grundsätzlich bedeutet für mich Kreativität etwas zu erschaffen bzw. zu verbinden. Diesen Ansatz bzw. dieses Denken empfinde ich auch als eine Lebenseinstellung. Also, dass man sich als Mensch sieht, der nicht nur passiv auf der Welt lebt, sondern auch aktiv etwas von sich in die Welt hineinbringt, mit dem was man kann, eigenen Erfahrungen, Erlebnissen und Gedanken. Dadurch kann irgendwie eine Verknüpfung von sich zur Welt hergestellt und das eigene ICH sinngemäß positioniert werden, ohne dabei zu erstarren. Denn wichtig ist, sich trotz Standfestigkeit auch Flexibilität und Wachheit beizubehalten, die es ermöglichen offen für Neues und Veränderungen zu bleiben und Reaktionen sowie erneute Deplatzierungen im eigenen Denken und Handeln zu erlauben. Ich finde die Formen der kreativen Ausdruckmöglichkeiten total spannend, angesichts des Spektrums der verschiedensten Medien. Vor allem das in-Kontakt-treten über oder durch kreative Arbeiten finde ich eine interessante Möglichkeit, um anderen Menschen zu begegnen, weiterzukommen/ zudenken/ zuschreiben/ kreativ sein zu können.
Das Schreiben ist mir demnach sehr wichtig. Es ist mein Gewicht, das mich am Boden hält, so den Kontakt zur Erde/ Welt herstellt und mir dennoch ermöglicht, wie ein Ballon an einer dünnen Schnur zu schweben.“
Hast du noch weitere kreative Hobbies neben dem Schreiben?
„Ja, ich male, zeichne und fotografiere (analog). Alles mal häufiger, mal seltener, so wie es gerade passt. Für mich sind das Malen und Zeichnen eher ästhetisch motivierte Tätigkeiten, die weniger dem Ziel einer kritischen Auseinandersetzung mit einem Thema dienen als mehr der Freude und Entspannung. Wohingegen das Fotografieren der schreibenden Intention näher liegt.“
Hast du vielleicht eine besondere Erinnerung an den Wettbewerb?
„Zwei sogar :) Berührender als der Sieg an sich war der Blick zur Seite: Neben mir mein Papa, dessen verschmitztes Lächeln sich mit den aufsteigenden Tränen und dem Glanz des stolzen Papa-Blicks darin mischte, als ihm nach den ersten vorgelesenen Sätzen klar wurde, dass das mein Text ist.
Eine sehr schöne Überraschung war für mich die Mitteilung, dass ich mir den Siegerplatz mit der talentierten Valentina Pirklbauer teilen darf. Ihr Text „Die mit dem Zufall würfelt“ hat mich sehr beeindruckt. Wunderschön, wie es ihr gelungen ist, Charakteristika einzelner Personen sprachlich herauszuarbeiten und nachzuzeichnen, in einer Weise die humor- und liebevoll zugleich ist und es den Leserinnen und Lesern bzw. Zuhörerinnen und Zuhörern leicht macht sie sich vorzustellen. Ich wollte am liebsten weitere Kapitel über diese Charaktere lesen. Aber abgesehen davon war es auch einfach viel netter zu zweit auf der Bühne zu stehen. ;)“
Wir gratulieren Lara Rachbauer herzlich zum Siegerplatz!