Wie war das Leben in den Harter Plateau Häusern?
Wir haben von 1974 bis 1999 im Haus Nr. 9 gewohnt. Unsere älteste Tochter war damals zwei Jahre alt und im Laufe der Zeit haben wir noch zwei Kinder bekommen. Die verhältnismäßig günstige Wohnung im 19. Stockwerk war sehr hell, freundlich und sonnenseitig ausgerichtet. Am schönsten waren immer die Sonnenuntergänge, um diese Aussicht ist mir heute noch leid!
Die Wohnung war recht gut aufgeteilt, wobei sich die Kinder ein großes Zimmer teilten. Das könnte man sich jetzt gar nicht mehr vorstellen, mittlerweile hat jedes Kind ein eigenes Zimmer, aber damals war das einfach so. Im Kinderzimmer stand ein Stockbett und über die ganze Länge der Fensterseite ein großer Schreibtisch. Später haben wir beim Bett noch Vorhänge angebracht, damit sie auch einen kleinen Bereich für sich hatten. Das hat gut funktioniert!
Was haben Sie und Ihr Mann beruflich gemacht?
Mein Mann arbeitete wie sehr viele der Hausbewohner bei der Voest. Ich war die längste Zeit Hausfrau und habe mich um die Kinder gekümmert. Später arbeitete ich als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft und als die Kinder schon größer waren, habe ich noch die Ausbildung zur Altenfachbetreuerin gemacht.
Haben Sie sich gut mit den Nachbarinnen und Nachbarn verstanden?
Es war eine wirklich sehr gute Hausgemeinschaft! Die Bewohnerinnen und Bewohner kamen von überall her, viele aus der Steiermark und anderen Bundesländern, aber auch einige aus östlichen Ländern. Linzerinnen und Linzer wohnten eigentlich kaum hier. Man hat sich immer untereinander geholfen. Da viele junge Familien dort lebten, haben wir die Kinder immer abwechselnd zur Schule gebracht oder gegenseitig aufgepasst. Es gab unten auch einen großen Spielplatz, wo wir immer zusammengekommen sind. Eine unserer Nachbarinnen hatte meistens eine Dose voller Köstlichkeiten dabei. Das war wirklich super! Hier sind richtige Freundschaften entstanden, die zum Teil heute noch aufrecht sind. Zusätzlich gab es den Verein „Wohnen am Harter Plateau“, welcher immer den Tag des Kindes veranstaltete. Hier wurde ein großes Fest mit allem Drum und Dran organisiert. Neben dem Hubschrauberflug war für unsere Kinder das Straßenrennen ein besonderes Highlight.
Warum hat man die Häuser dann abgerissen?
Die Häuser wurden sehr schnell gebaut und deshalb auch in keiner hohen Qualität. Auf einmal waren die Hochhäuser für jeden ein Dorn im Auge.
Erst als schon die Rede vom Abriss war, wurden die Harter Plateau Häuser zu dem, wie sie immer in den Medien dargestellt wurden. Anfangs hatte jedes Haus einen eigenen Hausmeister, zum Schluss gab es nur noch einen für alle Gebäude. Da ist doch klar, dass sich dieser nicht um alles gleichzeitig kümmern kann. Außerdem sind gegen Ende Leute eingezogen, die auch nicht so gut in die Gemeinschaft passten. Es hat sich keiner mehr um Ordnung bemüht und jeden war alles egal. Die Jugendlichen versammelten sich meist in den Gängen oder in dem Raum vorm Lift und da blieb natürlich immer wieder etwas liegen. Aber das war noch nicht das Problem, ganz zum Schluss hat es dann auch Brandstiftungen gegeben. Aufgrund der vielen Diebstähle wurden dann auch die Postkästen mit einem Gitter verschlossen und man konnte nur noch mit einem Schlüssel hin. Zu diesem Zeitpunkt habe auch ich mich nicht immer wohlgefühlt.
Haben Sie bis zum Schluss in den Harter Plateau Häusern gewohnt?
Nein, wir wollten eigentlich dort bleiben, aber für uns hat sich dann etwas anderes ergeben. Wir haben von einer freien Wohnung im Doblerholz erfahren, welche wir dann genommen haben. Dort wohnen wir bis heute im dritten Stock. Früher wäre es zum Beispiel nicht möglich gewesen, die Wäsche vom 19. Stock in den Garten zu tragen. Was das für ein Gefühl war, als ich zum ersten Mal draußen die Wäsche aufhängen konnte. Das ist eine ganz andere Lebensqualität!
Es gab damals eine Umfrage, wie es mit den Hochhäusern weitergehen soll. Wie hätten Sie damals abgestimmt?
Ich wäre definitiv für eine Renovierung gewesen! Da wir aber damals schon ausgezogen waren, konnten wir nicht mehr abstimmen.
Was hat Sie an der damaligen Situation gestört?
Jeden Tag wurde in der Zeitung über die Harter Plateau Häuser und deren Abriss berichtet. Wir erhielten jedoch nie irgendwelche Infos. Das habe ich nicht verstanden, immerhin mussten die Journalisten die Informationen auch irgendwo her haben.
Waren Sie damals bei der Sprengung live dabei und wie war das für Sie?
Ja, da war die ganze Familie mit dabei! Vorher gab es ein großes Abriss-Fest, wo wir die Möglichkeit hatten ein letztes Mal unsere alte Wohnung zu besichtigen. Den Lift gab es zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr, weshalb wir die Stufen bis in den vorletzten Stock erklimmen mussten. Voller Wehmut betraten wir unser langjähriges Zuhause. „Ma schau, da war das und schau, das hat Papa damals gemacht!“, hörte man die ganze Zeit aus den Räumen rufen.
An die Sprengung kann ich mich noch genau erinnern. Es war ein Palmsonntag, an dem ich mir extra freigenommen habe. Alle meine Kinder waren an diesem Tag dabei. Es war ein sehr trauriger und emotionaler Moment als die Gemäuer in sich zusammenbrachen. Als die Staubwolke auf uns zu kam, rannten wir auf einmal alle weg. Das war ein wirklich schlimmer Sonntag! Es ist, als hätten sie mir ein Viertel meines Lebens genommen. Mein Sohn sagte nur noch: „Was soll ich denn meinen Kindern erzählen, wo ich aufgewachsen bin?“
Wie werden Sie die Harter Plateau Häuser in Erinnerung behalten?
Gut! Ich muss sagen, ich war gerne dort! Die meisten haben eher darüber geschimpft, aber mir hat es gefallen! Ich glaube, es kommt generell immer darauf an, wie man sich das Leben selbst gestaltet. Wenn man in allem immer nur das Schlechte sieht, wird es einen nirgends gefallen. Man soll immer das Beste daraus machen. Für uns war es eine super Wohnung und ein schöner Lebensabschnitt!